Man kann vieles vergessen im Leben. Doch der Körper erinnert sich – an den ersten Atemzug, an den ersten Kontakt mit der Außenwelt, und vor allem: an die ersten Mikroben.
Was wie ein unsichtbares Detail wirkt, ist in Wahrheit ein hochintelligenter biologischer Vorgang. Denn kaum ein anderer Moment prägt unsere Gesundheit so tiefgreifend wie jener, in dem wir das erste Mal mit der Welt in Berührung kommen – über die Mikroflora der Mutter.
Die natürliche Schluckimpfung – ein evolutionäres Meisterwerk
Beim vaginalen Geburtsvorgang nimmt das Neugeborene Milliarden mütterlicher Mikroben auf – sie kolonisieren den Darm und tragen wesentlich zur Entwicklung des Immunsystems und Stoffwechsels bei. Besonders faszinierend: In den ersten Lebenstagen produziert das Baby kaum Magensäure. Das bedeutet, die aufgenommenen Bakterien gelangen ungehindert in den Darm, wo sie sich festsetzen und vermehren können.
Manche Forscher sprechen daher von der „ersten natürlichen Impfung“ – nicht chemisch, sondern mikrobiell. Diese Bakterien trainieren das Immunsystem, helfen bei der Reifung der Darmschleimhaut und legen den Grundstein für die spätere Stoffwechselregulation.
Studien:
Dominguez-Bello et al. (2010) zeigen, dass die vaginale Geburt die initiale bakterielle Besiedlung entscheidend beeinflusst. Kinder, die vaginal geboren wurden, zeigen ein Mikrobiom, das dem der Mutter ähnelt – mit dominanten Laktobazillen, Prevotella und Sneathia-Arten.
→ Nature Research: Delivery mode shapes the acquisition and structure of the initial microbiota
Wenn der Start anders verläuft: Kaiserschnitt, Fläschchen, Antibiotika
Was aber, wenn dieser bakterielle Erstkontakt nicht stattfindet? Bei einer Kaiserschnittgeburt passiert das Baby keinen vaginalen Kanal. Es wird unter sterilen Bedingungen entbunden – häufig unter Antibiotikaprophylaxe – und kommt zuerst mit Haut- und Umgebungskeimen in Kontakt. Die Folge? Ein reduzierter bakterieller Artenreichtum, ein anderer Immunstart – und langfristig ein erhöhtes Risiko für:
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Allergien
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Autoimmunerkrankungen
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Reizdarm
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Übergewicht
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psychovegetative Dysbalancen
Studien:
Die Baby Biome Study (2023, Wellcome Sanger Institute) untersuchte über 1.600 Neugeborene und zeigte, dass Kaiserschnitt-Kinder signifikant andere Mikrobiomzusammensetzungen und verzögerte Entwicklung immunregulierender Bakterien zeigen.
→ Wellcome Sanger Institute – Baby Biome Study
Auch das Stillen spielt eine zentrale Rolle: Muttermilch enthält präbiotische Zuckerarten, lebende Bakterien und Immunstoffe, die das Wachstum gesunder Bakterienstämme – insbesondere Bifidobakterien – fördern. Diese vermehren sich in den ersten Wochen exponentiell, bevor sie sich später zurückziehen und Platz für andere Mikrobiota machen.
Aha-Moment: Es gibt Zucker in der Muttermilch, die das Kind gar nicht selbst verdauen kann – sie sind ausschließlich als Futter für Bakterien gedacht. Die Natur hat hier ein perfektes Zweisystem gebaut: Nahrung für das Baby, Nahrung für sein Mikrobiom.
Studien:
Zivkovic et al. (2013): Muttermilch enthält über 200 verschiedene Oligosaccharide, die ausschließlich bestimmte nützliche Bakterien im Darm des Säuglings nähren.
→ Journal of Nutrition – Human Milk Oligosaccharides
Das Mikrobiom als lebendiges Netzwerk
Das menschliche Mikrobiom ist kein passiver Haufen von Bakterien. Es kommuniziert, tauscht Informationen aus, reguliert den Hormonhaushalt, beeinflusst unsere Stimmung und steht in direktem Austausch mit dem Gehirn. Über die Darm-Hirn-Achse entstehen Wechselwirkungen, die längst Gegenstand neurologischer und psychologischer Forschung sind.
Bakterien sind Meister der Anpassung: Sie können sich alle 20 Minuten teilen – was über 70 Generationen an einem Tag entspricht. Hinzu kommt ihre Fähigkeit zur horizontalen Genübertragung: Sie können einander genetische Informationen weitergeben – über Artgrenzen hinweg.
Aha-Moment: Die Natur hat mit dem Mikrobiom ein funktionierendes Netzwerk geschaffen – ein biologisches Internet – lange bevor der Mensch die digitale Welt erfand.
Studien:
Brito & Alm (2016) zeigen, wie horizontaler Gentransfer im menschlichen Darmmikrobiom als Anpassungsstrategie auf Umweltveränderungen funktioniert.
→ Science – Adaptive evolution of the human gut microbiome
Antibiotika – Segen mit Nebenwirkung
Antibiotika gehören zu den größten medizinischen Errungenschaften. Doch sie wirken nicht selektiv. Sie zerstören Krankheitserreger – aber auch nützliche Darmbakterien. Vor allem bei häufiger oder frühkindlicher Gabe kann das Mikrobiom dauerhaft geschädigt werden.
Studien:
Palleja et al. (2018) konnten zeigen, dass schon eine 7-tägige Antibiotikatherapie die bakterielle Diversität stark reduziert – und sich das Mikrobiom nur teilweise, teils gar nicht vollständig erholt.
→ Nature Microbiology – Recovery of gut microbiota after antibiotics
KAT – eine therapeutische Antwort auf mikrobielle Prägung
Nicht jede Prägung ist optimal verlaufen. Und nicht jede gesundheitliche Dysregulation lässt sich allein durch Ernährung oder Probiotika beeinflussen. Der Körper braucht manchmal mehr: Raum, Entlastung, Regulation – vor allem im Bauchraum.
Die Kader Abdominal Therapy (KAT) ist eine manuelle Bauchbehandlung, die genau dort ansetzt: bei den funktionellen Grundlagen, die ein gesundes Mikrobiom ermöglichen.
Wie KAT das Milieu im Bauch verändert:
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Lymphatische Entlastung:
KAT aktiviert den Lymphfluss im Bauch – vor allem in den Regionen rund um das GALT (gut-associated lymphoid tissue). Dieses System entscheidet über Toleranz oder Abwehr von Mikroorganismen und ist damit zentral für das mikrobielle Gleichgewicht. -
Viszerale Mobilisation & Durchblutung:
Verklebungen im Bereich der Mesenterien oder des Omentum können die Mikrozirkulation stören – also genau jene feinen Versorgungsströme, die das bakterielle Milieu beeinflussen. Durch gezielte Griffe verbessert KAT die Beweglichkeit und Versorgung der Organe. -
Vegetative Regulation über den Vagusnerv:
Viele Menschen befinden sich chronisch im Stressmodus. KAT aktiviert den Parasympathikus („Rest & Digest“), der nicht nur die Verdauung optimiert, sondern auch die mikrobiellen Prozesse in Richtung Balance verschiebt. -
Emotionale Entlastung:
Der Bauchraum speichert Spannungen, oft schon seit Geburt oder Kindheit. KAT kann helfen, diese gespeicherten Muster zu lösen – was sich nicht nur emotional, sondern auch auf das Mikrobiom auswirkt. Denn emotionale Sicherheit ist auch eine mikrobiologische Sprache.
Fazit: Das Mikrobiom vergisst nicht – aber es braucht Bedingungen, um sich zu erinnern
Unser Mikrobiom ist ein dynamisches, lernfähiges System.
Es speichert Erfahrungen, passt sich an, kommuniziert –
und trägt in gewisser Weise eine Art „zelluläres Gedächtnis“.
Doch wenn das innere Milieu gestört ist – durch Stress, Medikamente, Operationen oder fehlende Prägung in der frühen Kindheit – kann der Körper die Verbindung zu diesem mikrobiellen Netzwerk verlieren.
KAT (Kader Abdominal Therapy) setzt genau dort an:
Sie schafft Raum, aktiviert Regulationsmechanismen, verbessert die Durchblutung, entlastet das Lymphsystem und harmonisiert die vegetative Steuerung.
Dadurch entstehen Bedingungen,
unter denen sich das Mikrobiom nicht neu erfinden,
aber neu entfalten kann.
Was nicht verloren ist, muss nicht ersetzt werden.
Es muss erinnert werden.